Eröffnungsrede zur Ausstellung „IchWeißLicht“

Am 5. April 2008 im Kunstverein Mittelrhein -KM570-, Villa Belgrano in Boppard

Eine ungewöhnliche Ausstellung bereichert hier im Kunstverein KM 570 die luminale 08. Im Dialog mit der aufwendigen Lichtinszenierung am Loreley-Felsen von Ingo Bracke beschäftigen sich 7 Künstler und Künstlerinnen mit dem Thema der unmittelbaren Umgebung, mit dem nächst liegenden oder fließenden: mit dem Fluss Rhein, seiner Landschaft und seinen Mythen. Dabei kommen aus Frankfurt, aus dem Atelier Goldstein: Birgit Ziegert, mit ihren Arbeiten auf Plastikbahnen oder Stoff, Hans-Jörg Georgi, hier mit  einem Objekt aus seiner Werkgruppe „Flugzeuge“ vertreten und Lothar Zaubitzer mit Objekten aus seiner Werkgruppe „Schiffsmodelle“.

Ohne sich im Vorfeld zu kennen, treten die Arbeiten in Dialog mit Licht-, Klang und Videoinstallationen von Studierenden bzw. Meisterschülern der Hochschule der bildenden Künste Saarbrücken von: Alexandra Bassen, Maik Helfrich, Marc André Misman, Denise Ritter und Ingo Bracke.


Die uns umgebende Installation von Marc André Misman und Lothar Zaubitzer bietet wunderbaren Zugang zum Unzugänglichen: Licht ist eine flüchtige Angelegenheit, nicht greifbar, nicht fassbar. Für viele Jahrhunderte auch intellektuell, physikalisch so geheimnisvoll, dass dem Licht die Bereiche des Numinosen, des Göttlichen zugeordnet wurden. Licht lässt alles Leben entstehen, Licht macht alles sichtbar, ist selbst aber unsichtbar. Man kann „Licht“ nicht „sehen“ – nur seine Reflexionen. Bis heute kann es die Bereiche des geheimnisvollen in uns anrühren. Licht im Zusammenhang mit Fotografie oder Video – beides existiert nicht, ohne Licht, genau wie die Farbe, die Goethe bereits als die Taten und Leiden des Lichtes beschrieben hat, vermag das Flüchtige des Mediums zu steigern: Unterwasser, difus, Schwebeteilchen, ungreifbar. Die aufscheinenden Goldstücke gehören der erzählerischen Ebene an: Reminiszenzen an den Schatz im Rhein.
Dem Betrachter erscheint etwas vor Augen in den Arbeiten von Misman, ein „Etwas“ lässt suchen, erwarten, hoffen, auftauchen und weg sinken und in der steten Projektion zieht sich der Mensch selbst nach vorne, immer weiter, etwas folgend. Schicksal, getrieben sein. Die Holzboote von Lothar Zaubitzer stehen da so sinnlich schön gefügt und gehören doch der gleichen Thematik an: ein altes Symbol ist der Mensch in der Nussschale, der Mensch im Nachen, den Höhen und Tiefen des Seegangs des Lebens und seiner Seele ausgeliefert.

Denise Ritter setzt mit Ihrer audio-kartegrafischen Installation „Mäander“ den Mythen und offenen Fragen, den Sehnsüchten und dem Vagen ein greifbares Ding entgegen: Mäander, das zeichnet die Bahn am Boden, ihr Bezug zum Rheinverlauf bedarf keines Hinweises. Lautsprecher, unverändert, sich selbst in Aussehen und Aufgabe treu, sorgen für den harten Klang von Schleifvorgängen, von Arbeit: Der Blick, die Aufmerksamkeit lenkt sich auf die pragmatischen Aufgabenstellungen. Auf die Bewältigung der menschlichen Existenz auch im Romantikland Rheintal, durch Arbeit. Eine Kette von Assoziationen wird in Gang gesetzt, welche durch alle Bedingungen der Kultivierung und durch deren Folgen im Guten wie im Bösen mäandrieren darf.

Eine großformatige Arbeit auf Plastikbahnen gestickt, genäht und gemalt von Birgit Ziegert lässt in ihrer Majestät, ihrer spröden, brüchigen und immer authentischen Anmut die 7 Töchter der Loreley von Maik Helfrich verblichen wirken. Der intensiven Lebensentäußerung setzt der Lichtkünstler im modisch zeitlich gebundenen Schönheitsideal leblose Puppengesichter entgegen. Entsprechend dem Wandel den die komplexe Gestalt der Loreley seit Brentanos Erfindung 1801 erleiden musste: Einst eine Frau von überirdischer Schönheit, so dass sie Männer unfreiwillig in die ewigen Seelenqualen des Liebesleids stürzte, war sie selbst, all ihrer Schönheit zum Trotz, in derselben Qual gefangen, weil ihr Liebster sie verlassen hatte. Sie erfleht vom Bischof den Tod, weil sie nie mehr wird erfüllt lieben können, dieser sendet sie ins Kloster, doch sie stürzt sich von den Klippen des Felsens der Loreley. Aus tragischem Menschheitsstoff wurde Schritt für Schritt ein „Ausziehpuppe“ – harmlos, oberflächlich, sinnlos.

Im kleinen Kapellenraum, wie im Allerheiligsten, führt uns das bestickte weiße Kleid von Birgit Ziegert wieder in die Realität komplexer Widersprüche zurück. Spätestens seit Louise Bourgois wissen wir um die Symbiose von Seele, Leib und Kleid. Mit dem Licht- und Wasserspiel von Maik Helfrich verbindet sich das Brautkleid mit der Gequälten, die ihr Seelenheil und ihren Liebsten in den Fluten des Rheins sucht.

Die Bruchlandungen des Lebens hinterlassen bei Hans-Jörg Georgi ihre Narben in seinen amorphen, so beseelt wirkenden Flugzeug-Körpern. Wie das Boot den Menschen trägt, dort wo er nicht gehen kann, so hebt das Flugzeug über manch irdische Bedingtheit hinweg. Schön platziert zu den großzügigen Glastüren zur Terrasse hinaus, nimmt das sinnliche Objekt Fühlung mit der Außenwelt auf. 

Über den blauen Steg und durch den blauen Vorhang wollen wir die Ausstellung verlassen. Durchschreiten sie die bekannten Dimensionen, um in die Licht- und Klangatmosphäre von Rheinmythen, Goldglanz, tragischer Liebe, verführerischem Zauber einzutauchen. Mit ihrem Steg bietet Alexandra von Bassen auch uns Heutigen den Zugang zu versunkenen Schätzen an. Dabei spielen der Erckerraum der Neorenaissance Villa mit verblichenem Charme und die Klanggebilde aus Samples von 16 Sopranistinnen der „Vienna Symphonie Library“ wunderbar zusammen.

Dr. Ingeborg Besch, Saarbrücken  

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