Kunst oder die Entstehung neuer Möglichkeitsräume

Ausstellung des KM 570 zeigt plastische Zeichnungen und Papierschnitte von Dorthe Goeden

Ausstellung des KM 570 zeigt plastische Zeichnungen und Papierschnitte von Dorthe Goeden

 Koblenz. Das Thema der Schau entspricht perfekt der gegenwärtigen Situation: „Shifting“, zu übersetzen mit „Verlagerung“, „Verschiebung“. Alles, was einmal war, hat Corona verschoben, Gewohnheiten, Gewissheiten ins Rutschen gebracht. Veränderung im Gewohnten, sich Wiederholenden. Das ist genau auch das grundlegende Konzept der Zeichnungen und Papierschnitte von Dorthe Goeden, die der Kunstverein Mittelrhein (KM) 570 derzeit in seinem Kunstraum in Ehrenbreitstein in einer Ausstellung präsentiert.

Wiederholung ist ein Grundprinzip im Werk der 1975 in Adenau geborenen, in Münster lebenden Künstlerin, die bis 2005 Gestaltung an der FH Aachen studierte. Wiederholung, die Veränderungen, die Entwicklung neuer Möglichkeiten nicht ausschließt, diese vielmehr sogar provoziert. Davon erfasst ist auch die Linie als Basis – nicht allein der Zeichnungen. Sie übernimmt die Hauptrolle in der Fläche als einzelner, hauchdünn gezogener Strich oder auch farbig, zu Clustern von Linien verdichtet, in der Senkrechte, in der Horizontale verlaufend oder in die Schräge, die Diagonale gekippt.

In einer Serie von Acryl- und Tuschezeichnungen auf Papier formiert sich die Linie zu einer Art Spielfeld, in dem Dorthe Goeden vom linearen Prinzip abweicht. Da kommen Schattierungen, Chiffren ins Spiel, die dem Zeichnerischen Malerisches entgegensetzen, dem Linearen Flächiges und zugleich der Arbeit räumliche Tiefe verleihen. In ihren kleinen Objekten, ihren nicht an der Wand, sondern schwebend aufgehängten Papierschnitten vollzieht Goeden noch entschlossener den Schritt in den Raum. „Ich denke den Raum in der Wiederholung“, erklärt sie. Und meint weiter, ihre Objekte seien für sie nicht mehr und nicht weniger als der Versuch, „die Linie in 3-D zu fassen“ – trotz ihrer räumlichen Dimension mehr Zeichnung als Objekt.

In den Papierschnitten übernehmen die Schnitte so etwas wie die Funktion der Linie, einer Linie, der letztlich auch die entstehenden Papierflächen mit ihren belebenden Licht- Schatten- Effekten folgen. Das lässt sie trotz aller gliedernden, seriellen Wiederholung genauso dem Wandel, der subtilen Veränderung unterworfen sein wie die neueren, zeichnerischen Arbeiten, in denen Dorthe Goeden Gouachepunkte in unterschiedlichsten Grauschattierungen dicht an dicht auf dem Weiß des Zeichengrunds anordnet.

Dabei entwickeln sich rhythmische Muster, deren Ordnung allerdings immer wieder bewusst oder unbewusst gestört, aufgebrochen oder verschoben wird. „Es ist nie die bloße Wiederholung“, kommentiert Goeden den Entwicklungsprozess dieser Arbeiten, „sondern die Entstehung neuer Möglichkeitsräume.“

Die Ausstellung im Kunstraum des KM 570, Hofstraße 268, in Ehrenbreitstein ist bis zum 20. Juni jeweils Mi+Sa von 15 bis 18 Uhr zu sehen.

Falls der direkte Besuch in dieser Zeit nicht möglich sein sollte, bietet sich neben dem Blick durchs Schaufenster auch der auf das Video zur Ausstellung an – zu finden auf YouTube unter dem Suchwort „Dorthe Goeden: Shifting“.

Dr. Lieselotte Sauer-Kaulbach, 17. 5. 2021, Rhein-Zeitung Koblenz & Region, Kultur-Regional

 

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