Rede zur Ausstellung „ Neue Mitglieder 2006"

Kunstverein Mittelrhein   -KM570-  Villa Belgrano, Boppard   (19.-28.Mai 2006)


Verehrte Gäste, meine Damen und Herren,
Ich hatte Ihnen im letzten Jahr versprochen, daß wir diese Tradition gerne fortsetzen möchten, und hoffentlich noch viele Jahre eine Ausstellung mit „Neuen Mitgliedern“ zeigen können.
Dazu muß natürlich einmal ein ständiger Zuwachs an “Künstlern gewährleistet sein und zum andern brauchen wir die Organisationshilfe der restlichen Mitglieder und nicht zuletzt die Räumlichkeiten, wie sie uns derzeit noch das Stiftungsklinikum zu Verfügung stellt. Allen hierfür meinen herzlichen Dank.
Es ist immer schwer einen passenden Einstieg zu einer solch unterschiedlichen Ausstellung zu finden. Da es keine Themenausstellung ist, sondern alle Teilnehmer frei zur Jurierung einreichen können, für welches Thema innerhalb ihres Werkes sie sich auch entschieden haben, ist es danach umso schwieriger – wenn nicht sogar unmöglich- einen gemeinsamen Leitfaden zu finden. Dennoch möchte ich sie an meinem Denkprozess wieder teilnehmen lassen und hier betonen, dass es uns in erster Linie nicht um Gemeinsamkeit bei den Bildinhalten sondern mehr um die Unterschiedlichkeiten in der Darstellungsweise, den verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten und der wechselnden Techniken geht. Die Ausstellung hat auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Perfektion, sie soll vielmehr die Künstler anspornen und ermutigen weiter zu arbeiten und   Sie   als Besucher sollen neugierig werden auf das was noch kommt oder kommen könnte.
Ich möchte mit Melanie Müllers Installationen hier in dem großen Saal beginnen. Ihre Arbeiten, die  Sie   zusammen mit den Bildern von Susanna Storch und Objekten von Tanja Theinkom aus Mainz hier sehen, sind sämtlich aus Papier angefertigt. Melanie Müller die in Gießen Kunst studiert hat und inzwischen hier in Boppard am Kant auch dieses Fach unterrichtet, spielt mit den verschiedenen Techniken bei der Papierbearbeitung. So klebt, faltet, knüpft oder strickt sie sogar damit. Sie vervielfältigt, spielt mit Licht und Schatten und lässt uns die gewohnte Zweidimensionalität eines Papierblattes schnell vergessen. 
Zwei weitere Arbeiten, als Teppiche finden sie in den beiden vorderen Zimmern. Und bei Melanie Müller wünsche ich mir besonders, dass sie diese Gelegenheit nutzt und ermutigt wird, solch tolle Arbeiten weiter zu verfolgen und sich wieder mehr in Schaffensprozess der Kunst einzufinden.
Bei Susanna Storch und Tanja Theinkom brauche ich diese Sorge nicht zu haben. Sie sind voll im Kunstbetrieb eingebunden. Beide haben in Mainz, zusammen mit Jutta Salomon, zu deren Arbeiten ich später noch komme, in der „Alten Patrone“ ihre Ateliers. Katja Theinkom bevorzug Watte, Vlies und Silikon und spielt auch mit dem Material, und sie benutzt auch das Licht um besondere Effekte zu erzielen. Sie setzt aber, nun hat das wiederum mit Papier etwas zu tun, auf die Leichtigkeit des Materials, die insbesondere durch dessen Transparenz gegeben ist. Sie selbst sagt, dass ihr insbesondere das optische und haptische am Herzen liegen. Ihre abstrakten Gebilde weisen auch eine optisch wahrnehmbare Stofflichkeit auf. Harte und weiche Materialien treten in einen direkten Dialog zueinander. Der Betrachter wird in scheinbar fremde Welten entführt. Dennoch erkennt er schnell das Gefühl einer angenehmen Geborgenheit und Reinheit. Aber auch Neugier und Lust werden durch die verschiedenen Einsichten und Durchblicke ausgelöst. Eine weitere Raum-Installation der Künstlerin finden sie in dem vorderen kleinen Raum, wir nennen ihn das Kapellchen.
Bei Susi Storchs Menschenbilder finden wir in einer Rede von Gisela Jürgens gehalten in Frankfurt/Main folgende zutreffende Beschreibung: „ Die neueren Bilder von Susanna Storch thematisieren den expressiven Ausdruck menschlicher Affekte und Emotionen in Gesichtern und Gesten von Männern und von Frauen. Das Charakteristische starker Gefühle wie Liebe, Wut, Trauer oder Angst findet in den realistisch gemalten Porträts – denen oft eigene fotografische Aufnahmen zugrunde liegen – nicht nur seinen gestischen Ausdruck. Mit dem Auftrag kühler und warmer Farben verdichtet die Künstlerin eine Aussage, bis dahin, dass eine Farbe gegenständlich wirkt oder man glaubt, ein Geräusch zu vernehmen (Waiting for ...; Jerusalem). Weitere, diesmal gestochen scharf gehaltene Porträts in großem Format, zeigen weniger ein universelles Gefühl, drücken vielmehr situativ emotionales Empfinden aus. 

Ich möchte jetzt in den mittleren Raum , der zum Rhein hin den schönsten Blick freigibt, mit ihnen gehen und dort die Fotoarbeiten von Eva Vettel mit Ihnen gemeinsam betrachten. Eva Vettel hat Kommunikationsdesign mit dem Schwerpunkt Fotografie studiert und sie setzt sich in ihren Arbeiten inhaltlich mit dem Phänomen des sich stetig verändernden Lebens auseinander. Ihre Arbeiten sind teilweise real aber auch abstrakt und irreal.
Hier in der Ausstellung sehen Sie winterliche Landschaften, bei denen die Künstlerin mit harten Konturen die fragilen Strukturen betont und herausarbeiten will.
Bei Eva Vettel gibt es zu den beiden Künstlerinnen Sylvia Richter-Kundel und Rita Eller ebenfalls eine enge Verbindung, denn alle drei arbeiten sehr engagiert und erfolgreich in einem Mentoring-Projekt für bildende Künstler in Mainz, welches durch das Land gefördert wird.
Im nächsten Raum finden Sie die Bilder der Künstlerin Rita Eller. Sie hat Grafik-Design in Wiesbaden studiert und ist freischaffende Malerin seit 1992. Ihr Zugang zu den Bildern kommt über den eigentlichen Entstehungsprozess selbst. Äußere Reize geben den Anstoß. Zerstörte Plakatwände z.B. oder auch Fundsstücke aus Holz sind willkommene Ideengeber für ihre Kollagen, die sie dann schichtweise bearbeitet, übermalt oder mit Texten versieht. So lässt sich die Spurensuche der Künstlerin  durch den Betrachter des Bildes fortführen. Viel Spass dabei.
Kommen wir nun zu den Drahtobjekten der Wormser Künstlerin, Sylvia Richter-Kundel. In einem Zeitungsbericht über sie steht zu lesen: „ Sylvia Richter-Kundel treibt mit ihren Drahtobjekten die „Entmaterialisierung“ auf die Spitze.“ Ist es die Leichtigkeit des Sein oder die Zerbrechlichkeit die sie dabei reizt oder herausarbeiten will. Sie selbst schreibt zu diesen Arbeiten: „ Teppich, Hose, Regal und anderes sind konkrete von Menschen erdachte und benutzte Objekte. Sie präsentieren sich nicht wie gewohnt als manifeste Skulpturen, sondern als Zeichnungen im Raum, da das verwendete Material Draht zwar die äußere Form der dargestellten Dinge umreißt, der Körper aber leer bleibt. Im Haus der Villa Belgrano sind die Drahtarbeiten nicht als Skupturen im Raum platziert, sondern sie sind durch die Besonderheiten vor Ort als räumliche Wandzeichnungen zu sehen. 
Im letzten Raum finden wir die Arbeiten von Pedi Matthies und Jutta Salomon.
Pedi Matthies hat ihren Abschluß in dem Fach Kunstmarketing in den USA gemacht und ein Kunststudium an der EAST London University absolviert. Sie ist aber auch mit ihrem Partner zusammen Betreiberin einer Produzentengalerie in Oberdiebach, wo sie das ehemalige Schulhaus mit Kunst füllen.
Sie schreibt selbst über ihre Arbeiten:  In meiner Realität suche ich nach Strukturen und Gesetzmäßigkeiten die sich in Ornamenten und Formen wiederspiegeln. Einige Ergebnisse meiner Forschungen sind hier, hoffentlich mit Wohlwollen und Freude zu betrachten. 
Kommen wir zum Schluß des gemeinsamen Rundganges zu den Arbeiten von Jutta Salomon. Die heute in Mainz lebende Jutta Salomon ist gebürtige Bopparderin und als solche mir auch seit ungefähr 20 Jahren bekannt. Und seit so vielen Jahren schätze und sammle ich auch ihre Bilder. Ich kenne die Veränderungen und Schritte, ja ich möchte sagen die Schichten der Bilder sind mir fast einzeln in Erinnerung. Jutta klebt und färbt nämlich Papiere ein, legt sie übereinander, übermalt, spachtelt, ohne das Ziel vor Augen zu verlieren. Die Struktur. Könnte man doch sonst annehmen, dass das ohne Ordnung geschieht. Nein, keineswegs. Sie liebt die Ordnung, insbesondere in den Ornamenten, und deswegen liebt sie auch diesen Raum hier, mit den übermalten Tapetenmustern, den Ornamenten, die unter der weißen Farbe liegen und durchschimmern.
Ich hoffe, dass Sie ebenso Gefallen finden an den ausgestellten Arbeiten und möchte Sie wie immer im Anschluß auch zu einem interessanten Gespräch mit den anwesenden Künstlern bei einem guten Glas Wein in Boppards herrlicher alter Villa Belgrano einladen.

Erzählen Sie ruhig wieder Ihren Freunden,  - auch über uns-. 
Wir freuen uns auf noch mehr Gäste !
Viel Vergnügen (Uli Hoffelder,1. Vorsitzender)

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