Villa mutiert zum Mythen-Schloss

RZ-Online 08.04.2008,  Rhein-Hunsrück-Ausgabe

Belgrano-Bau ist Teil des Luminale-Lichterspektakels - Von außen angestrahlt, von innen ein Ort rheinischer Phantasien
Dunkle Wolken ziehen auf. Ein Schwanenpaar schlägt niedrig übers Wasser. Marmorne Wellenstreifen legen sich über die majestätisch-prunkvolle Villa Belgrano am Rheinufer. Leuchtendes Blau füllt Fensterhöhlen, schimmert kobaltkalt auf den Ziegelsteinen nach. Der Strahl der Luminale hat jetzt auch Boppard getroffen.


BOPPARD. Das mittelrheinische Lichterspektakel lässt Villa Belgrano, einstige Sommerresidenz eines reichen Kaufmanns, mit Einbruch der Dunkelheit zu einem in mythischen Fluten versunkenen Schloss mutieren. Zwischen den Dachtürmen zielt ein kräftiges Lichtbündel auf die Filsener Lay und ruft vag changierende Bänder auf den Felsterrassen hervor. Unruhig hingegen flickert's und flackert's unterm Dach des unbehausten Hauses, das von Zeit zu Zeit den Präsentationen des Kunstvereins Mittelrhein ein Obdach bietet: Geisternacht in altem Gemäuer.

Studenten der Kunsthochschule Saarbrücken haben zusammen mit Lichtschöpfer Ingo Bracke, dem Frankfurter Atelier Goldstein und dem Kunstverein Mittelrhein an, um und in der Villa Belgrano die Rückkehr rheinischer Mythen inszeniert. Sie erzielen mit geringen Mitteln - schließlich handelt es sich bei "IchWeißLicht" in Boppard um ein "Low-Budget-Projekt" der Luminale - verblüffende Einsichten und Effekte.

Clemens Brentano, der Romantiker, hat dabei den Kreativen von heute den Weg gewiesen, beschrieb er doch in seinen Rheinmärchen die "Frau Lureley" als eine "Tochter der Phantasie, welches eine berühmte Eigenschaft ist, die bei Erschaffung der Welt mitarbeitete..." Und so waltet solch schöpferische Kopfkraft auch drinnen in den Räumen der Villa, bedient sich, zuweilen schlecht und recht, vorwiegend der heute in der Kunstwelt üblichen Form der Installation.

Schlüssig lässt Maik Helfrich im großbürgerlichen Interieur der Villa das romantische Gespinst der rheinischen Märchen und Mythen aufscheinen. Um die linnene Projektionsfläche mit ihren archaischen Signen (Birgit Ziegert) tanzen die Schatten der Brentanoschen Rheintöchter im Fluss des Lichts. Im Eck-Kabinett schließlich hüllt sich romantische Phantasie in ein Kleid (Ziegert), um das bewegte Lichtmuster (Helfrich) zu einem Ornamentband mit der altmeisterlichen Decke verschmelzen.

Überwölbt von einem Stuckbogen, getragen von zwei graziösen Atlanten, fängt Alexandra von Bassen mit ihrer Klangraum-Installation "In The Beyond" das ferne, verlorene Loreley-Echo ein - gewebt zu einem Klangteppich aus Sopranistinnen-Stimmen der "Vienna Symphonic Library". Erdtönen öffnet sich "Mäander", eine Bodeninstallation aus Lautsprechern und Kabeln von Kubisch-Meisterschülerin Denise Ritter. Sie will mit ihren Tonaufnahmen romantisierender Sehweise den Blick auf die Realität des Flusses als Landschafts- und Wirtschaftsraum entgegensetzen.

Wasser und Fluten als Orten des Unergründlichen und Trügerischen widmet sich Marc André Misman mit "terra firma" und "rheingold", zwei Video-Installationen. Weitere Rätsel gibt Hans-Jörg Georgi (Atelier Goldstein) mit seinem Flugzeugmodell aus klobig zusammengeklebten Pappresten auf. Cineasten mag es an die grandiose Szene vom Zerschellen des Fliegers an der Loreley in "Heimat 3" von Edgar Reitz erinnern.

Einsam und unbemannt sind zwei Boote aus Holz (Lothar Zaubitzer, Atelier Goldstein) im Raum gestrandet: Nicht alle Nachen tragen den Betrachter spielerisch zum Unterwasser-Reich der Luminale-Phantasie.

   Ernst-Peter Strauch

 Bis Sonntag, 20. April, wird die Villa Belgrano am Bopparder Rheinufer mit Einbruch der Dunkelheit illuminiert. Die Ausstellung ist samstags und sonntags von 18 bis 20 Uhr geöffnet.

http://rhein-zeitung.de/08/04/08/J/00000028.html

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