Ein Fleischwolf klemmt an der Armlehne eines alten Polsterstuhls. Eigentlich ist es ein Wollwolf, denn das angerostete Küchengerät spuckt nicht zerkleinertes Fleisch, sondern farbige Wollfäden aus, die sich auf dem Boden zu einem Wirrwarr verknäulen, gegen das selbst das auf dem Stuhlsitz liegende Strickzeug machtlos erscheint. „Materialien des Lebens“ nennt die aus Taiwan stammende Pao-Ying Tang ihre Installation, die derzeit in den Räumlichkeiten des Kunstvereins Mittelrhein zu sehen ist.
In ihren Arbeiten, meint die Künstlerin, kombiniere sie gern Gegensätze. „Aus der Begegnung von Materialien entsteht Neues. Es treffen sich Kunstwerk und Leben“, sagt sie. Tangs Installation ist Teil der ersten von drei nahtlos aufeinanderfolgenden, „Klare Wogen“ überschriebenen Ausstellungen, in denen der Kunstverein Mittelrhein (KM) 570 in seinem Kunstraum in Ehrenbreitstein jeweils zwei Absolventen des Instituts für künstlerische Keramik und Glas (IKKG) in Höhr-Grenzhausen vorstellt.
Dabei hat die Paare diesmal nicht wie in den Vorjahren Thomas Kohl zusammengestellt, der an der Hochschule Künstlerische Gestaltung lehrt. „Jede beziehungsweise jeder durfte sich seinen Partner selbst auswählen“, erklärt der Maler und ergänzt: „Das geht nicht ganz ohne Reibung, wie die vergangenen vier Tage gezeigt haben, aber dabei kommen auch interessante Dialoge zustande.“
Tang, die von der Keramik her kommt, wählte sich als Partner den Kolumbianer Mauricio Alejandro Peña Chipatecua, der nach einem Studium an der RWTH Aachen, das er als Hardware-Ingenieur abschloss, jetzt Glasgestaltung am IKKG studiert – ein nicht ganz ungewöhnlicher Lebenslauf, „die meisten unserer Studierenden“, meint Kohl, „kommen nicht direkt nach dem Abitur zu uns, sondern haben oft schon eine andere Ausbildung absolviert“.
Gebilde wie Traumfänger
Chipatecua setzt dem Wollwolf Tangs, den Bildern der Künstlerin, die anmuten, als ob sie aus Acrylfarbfäden gewebt seien und dabei Dichte und Transparenz verbinden – „Farbe ist einfach meine Sprache“, sagt sie –, eine an hauchdünnen Fäden im Raum schwebende Installation entgegen, fragile, mit weißen Porzellaneinsprengseln durchsetzte Glaskörper. Der eine, der größte, erinnert an eine mit einer Klappe verschlossene Tasche, wobei dem Verschlossenen nach oben offene gefäßähnliche Gebilde wie Traumfänger entgegentreten, so zart, dass man meint, ein bloßer Lufthauch könne sie zerstören.
Eben diese Zartheit, diese Transparenz der Arbeit Chipatecuas greift Tang schließlich in einem erst in den vergangenen Tagen entstandenen, den von Kohl beschworenen künstlerischen Dialog demonstrierenden Werk auf, eine perfekte Symbiose aus Durchsichtigkeit, Licht und Farbe.
Weitere Ausstellungen im November
Auf wie eine Woge anmutendem, schwingendem Plastik arbeitet die Künstlerin mit leuchtenden Farben, schafft so ein in den Raum transformiertes, sich langsam drehendes Bild – ein Beweis für das erfreuliche Gelingen des Experiments, das die Ausstellungen auch für den KM 570 seien, wie dessen Vorsitzender Uli Hoffelder erklärt. Bindeglied zwischen den Werken beider Künstler ist nicht zuletzt auch die Projektion, die leider nur in den Abendstunden, bei entsprechender Dunkelheit durch und über den Raum wandert, durch Installationen und Bilder, und sie realiter in neuem Licht erscheinen lässt.
Die Auftaktausstellung wird am Freitag, 14. Oktober, um 19 Uhr eröffnet und ist – wie auch die beiden folgenden – zwei Wochen lang im Kunstraum des KM 570, Hofstraße 268, in Ehrenbreitstein zu sehen, mittwochs und samstags von 15 bis 18 Uhr.
Ab dem 4. und bis zum 19. November zeigen Zhongze Xue, der seine Tonobjekte bewusst Veränderungsprozessen und der Vergänglichkeit unterwirft, und die Glasgestalterin Delia Stünitz ihre Arbeiten;
vom 25. November bis zum 11. Dezember beschließen dann die Licht- und Glasdesignerin Selina Weber und Alix Brodeur mit formal experimentellen, archaisch anmuten Keramikobjekten die Ausstellungstrilogie.
Die Vernissagen sind immer freitags um 19 Uhr.
RZ-Kultur: Dr. Lieselotte Sauer-Kaulbach 14. Oktober 2022