Presse

Ein Stückchen stromabwärts

Zum 15. Geburtstag befasst sich der Kunstverein Mittelrhein KM 570 mit dem Thema „Stadt – Land – Fluss“

RZ v. 11.6.2018 /  Lieselotte Sauer-Kaulbach

 

Koblenz. Schon im 19. Jahrhundert wollten die Anliegerstaaten den Rhein der Länge nach vermessen – aus wirtschaftlichen und aus Zollgründen. Eine regelmäßige Zählung der insgesamt 1032,8 Stromkilometer aber existiert erst seit dem Jahr 1939. Schwarz auf Weiß nachzuverfolgen auf großen, rechteckigen Schildern mit der jeweiligen Zahl, die alle paar Kilometer zu sehen sind. Eines davon, das mit der Nummer „570“, steht in Boppard, in der Nähe der Villa Belgrano, in der sich im Jahr 2003 der noch junge, seinen Namen just eben diesem KM 570 entleihende Kunstverein erstmals vorstellte.

15 Jahre ist das her, mittlerweile dient die alte Villa neuen Zwecken und der Kunstverein Mittelrhein, so die andere Lesart der Buchstaben KM, hat sich einen neuen Ausstellungsraum gesucht: in Ehrenbreitstein, stromabwärts, jetzt KM 592. Seine Geburtstagsausstellung aber zeigt der Verein im Künstlerhaus Metternich in der Koblenzer Altstadt – und natürlich taucht der Strom auch im Ausstellungstitel auf: „Stadt – Land – Fluss“. Nicht ums Geografiekenntnisse trainierende Spiel geht es dabei, sondern um eine mehr oder minder dicht dem Thema folgende kreative Auseinandersetzung, der sich ein gutes Dutzend Künstler stellen, rund die Hälfte der 32 Mitglieder des KM 570. Schließlich gibt es im Herbst noch einmal eine Ausstellung, dann als Heimspiel im Museum Boppard.

Dem Fluss, dem Wasser widmet sich beispielsweise die in Kruft lebende Pfälzerin Heidemarie Berberich. Sie zeigt entromantisierte Rheinromantik, zersiedelte Landschaft unter einem von Kondensstreifen durchschnittenen Himmel. Beruhigender ist da das lichtgrüne Quellgeriesel des als Bildhauer gestarteten, hier mit C-Prints vertretenen Frank Lipka; zumindest indirekt aufs Wasser Bezug nehmen die in Höhr-Grenzhausen lebende Daniela Polz mit einem tönernen, „knochigen“ Bootskörper und die Mainzerin Jutta Salomon. Sie lässt transparent verdünnte Ölfarbe in ihren Kompositionen fließen und sich zu kreisenden, blasigen Strukturen entwickeln.

Die Stadt ist Star der neonglitzernden, nächtlichen Megacitys gewidmeten Ölbilder Harald A. Küstermanns. Generell Architektonisches in den Fokus rücken die nuancenreich schattierten Kohlezeichnungen von Markus Pfaff, der in Leipzig studierte. Seine Arbeiten sind fotorealistisch wie die farblich zurückhaltenden Ölbilder der ebenfalls in Koblenz lebenden Sibylle Brennberger: Ausschnitte, Serien von Fensterfluchten, gleichsam entseelte Augen gesichtsloser Gebäude. Demgegenüber ist die historische Potemkin-Fassade in Ehrenbreitstein, (noch) stützungsbedürftig, die Sylvia Klein in einem Cyanoprint festhält, ein stadtarchitektonischer Lichtblick.

Das Land oder, genereller, Landschaftliches, Natürliches thematisieren Rita Daubländer in ihren Variationen von Baumjahresringe sowie die vom Abstrakten stärker wieder zu greifbaren landschaftlichen Andeutungen zurückfindende, der klaren Komposition trotzdem treu bleibende Anneliese Geisler. Vera Zahnhausen, geboren in Boppard, tendiert umgekehrt vom Naturalistischen zu mehr Abstraktion, zum subtilen Spiel mit der Farbe. Platanenrinde und Tusche zu sparsamen, zeichnerischen Bildkompositionen fügt die im Westerwald lebende Christina Molke, Hochsitze in scheinbar idyllischen Hunsrücklandschaften dräuen lässt die Münchnerin Ulrike von Quast.

 

Ausstellung Terrakotten und Bronzen von Eberhard Szejstecki im Kunstraum in Ehrenbreitstein

– Exponate bis zum 27. Mai zu sehen

Koblenz. Ein großes Denkmal dort, weithin sichtbar platziert auf dem Deutschen Eck, der Kaiser auf seinem vielfarbigen Bronzepferd. Und viele kleine Denkmäler hier, im Kunstraum des KM 570, des Kunstvereins Mittelrhein, in Ehrenbreitstein. Patriotisch geschürte Ehrfurcht sollen Letztere ganz sicher nicht gebieten, garantiert nicht. Kleine, knubbelige Figuren sind es, allerlei Menschlein und Tierchen aus Terrakotta- oder Bronzeguss, Form gewordener Witz oder auch Melancholie, die plastische Gestalt angenommen hat.

Schöpfer dieser Figuren, die mal auf kleinen, mal auf wuchtigen Sockeln oder in die Höhe gereckten, zerbrechlichen Stelen ihren Platz finden, ist Eberhard Szejstecki, 1958 in Gelsenkirchen geboren. Erst studierte er Grafikdesign in Münster, dann Bildhauerei in Bremen als Meisterschüler Waldemar Ottos, dessen Einfluss immer noch unverkennbar ist. Wie Otto gilt auch Szejsteckis ganzes Interesse der Figur, vielleicht, weil er überzeugt ist, wie es Arie Hartog in einem Katalog des Künstlers formuliert, dass die reine Form, beispielsweise das Dreieck, irgendwann uninteressant werde, eine dem Dreieck formal zweifelsohne verwandte Nase aber nicht.

Und so haben sie denn, bei aller körperlichen Rundlichkeit, tatsächlich alle vergleichsweise spitze, „dreieckige“ Nasen, der bronzene Entdecker, der hier zumindest durchs Schaufenster in die Weite schaut, sein Kollege, der „Schämer“, mittlerweile fast so etwas wie ein Markenzeichen Szejsteckis, der seinem betrachtenden Gegenüber den Rücken und sein Gesicht der Wand zukehrt – genau wie der „Wandinspektor“. Oder wie der Stierkämpfer, der in einer „Toreroschule“ betitelten Terrakotta-Plastik seinem recht wenig furchteinflößenden Gegner, dem gleichfalls rundlichen, gedrungenen Stier mit seinem dünnen Schwänzchen, etwas ratlos gegenüberzustehen scheint. Wer hier von wem lernt, ist wirklich nicht so ganz klar.

Viele der Plastiken wirken so, als seien sie Figurinen für den Schauspielunterricht, Musterbeispiele, welche Gesten, welche Haltungen am besten bestimmte Gefühle ausdrücken. Gefühle, die sich vor allem auch bei der Begegnung respektive Beschäftigung mit dem eigenen Ich einstellen, etwa in der „Als ich mich traf“ betitelten Plastik, in der sich wie bei allen in der Gipsform abgegossenen Terrakotten zum bildhauerischen Spiel mit der Form das malerische mit der Farbe gesellt. Das Thema des Doppelgängers, des Spiegelbilds, des Schattens kehrt nicht umsonst häufig in den Werken Szejsteckis wieder und, versteckt dahinter, die grotesk überspitzte Entlarvung von Größenwahn und Überheblichkeit auf der einen, die Enttarnung von Einsamkeit, von tatsächlicher Winzigkeit des Menschen auf der anderen Seite – von der Enthüllung von eitler Selbsttäuschung wie beim in der Luft schwebenden „Besten Freund“ ganz zu schweigen.

RZ v. 23.4.2018 / Lieselotte Sauer-Kaulbach

 

Koblenz. Der Kunstverein Mittelrhein KM 570 stellt in seiner neuen Ausstellung Arbeiten des Künstlers Kanta Kimura aus. Die Schau „Flat Wave“ wird am Freitag, 2. März, um 19 Uhr im Kunstraum, Hofstraße 268, in Ehrenbreitstein eröffnet. Kimura ist ein abstrakter Maler, der „sich ganz der Komplexität der Ölfarbe hingibt“, heißt es in einer Ankündigung. Kimura, Jahrgang 1982, stammt aus Koblenz, er ist der Sohn des Geigenbauers Gen Kimura. Er studierte unter anderem an der Universität der Künste in Berlin, dort lebt und arbeitet er. Die Ausstellung ist bis zum 8. April zu sehen.

RZ v. 1.3.2018 (Frühausgabe)

 

Ausstellung Studenten zeigen ihre Kunstwerke in Ehrenbreitstein

Ehrenbreitstein. Kunst will gesehen, Künstler wollen wahrgenommen werden. Gerade angehende Künstler haben es oft schwer, ihre Werke zu präsentieren. Die Kunstwelt mit ihren Institutionen und Marktgesetzen erscheint bisweilen wie ein hermetisch abgeriegelter Ort ohne Eingang. Für die Studenten des Instituts für künstlerische Keramik und Glas in Höhr-Grenzhausen aber öffnet der Kunstverein Mittelrhein in seinem Kunstraum in Ehrenbreitstein eine Tür und bietet ihnen die Möglichkeit, erste Schritte im Licht der Öffentlichkeit zu gehen. Seit Anfang November werden in Ehrenbreitstein in zweiwöchigen Wechselausstellungen Werke von Studenten gezeigt, die beispielhaft für die vielfältigen Kunstformen sind, die an der kleinsten Kunsthochschule Deutschlands gelehrt werden.

Gerade stellen Hanna Melnychuk und Zhifeng Song ihre Werke aus – eine kontrastreiche Kombination. Während der aus China stammende Song die Materialität des Raumes zum Thema macht, spielt die aus der Ukraine kommende Melnychuk mittels ihrer auf Stoffbahnen angebrachten Aquarellen mit der Architektur. Kunstkenner wie interessierte Laien gehören zum Stammpublikum der Ehrenbreitsteiner Institution, für deren Leiter Uli Hoffelder es ein dringendes Anliegen ist, Arbeiten in Keramik und Glas auszustellen und dabei den Studenten genügend Freiräume zu lassen. Hoffelder gibt jedoch zu, dass er, als er von Songs Konzept hörte, erst einmal skeptisch war: Song kündigte an, Löcher in die Wand zu bohren und das aus der Wand rieselnde Material auf Glasscheiben gleich darunter zu sammeln, um so das Wandinnere selbst zum Gegenstand der Ausstellung zu machen. Hoffelder ließ sich überzeugen, willigte ein – das Ergebnis bestätigt, dass diese Entscheidung richtig war.

Melnychuk geht subtiler vor: Sie arbeitet seit einiger Zeit an Aquarellen; so entstehen intensive Farbverläufe auf Papier. Bewusst hat sich Melnychuk dagegen entschieden, ihre Bilder zu rahmen – es soll keine Grenzziehungen geben –, und die genähten Stoffbahnen dienen als weicher Ersatz für die harten Wände.

Ihr Dozent Thomas Kohl ist von der Kooperation mit dem Kunstverein begeistert, denn „ein nicht gesehenes Kunstwerk existiert nicht“. Für Studenten sei es wichtig, den Umgang mit der Öffentlichkeit einzuüben – häufig werde dies an Hochschulen vernachlässigt, weiß er aus eigener Erfahrung. „Kunstvereine in Deutschland sind die offenste Institution überhaupt“, das habe sich bei der Realisierung der Ausstellung in Ehrenbreitstein erneut gezeigt.

Wolfgang M. Schmitt,  RZ-Koblenz, 5.12. 2017

Pressetext zur Ausstellung des IKKG im KUNSTRAUM bei KM570 

Der ganze Westerwald schien sich gewundert zu haben, als die ersten Kunststudenten des IKKG vor gut 15 Jahren in Höhr-Grenzhausen auftauchten. Nun gehören sie ganz selbstverständlich zum Stadtbild und die „kleinste Kunsthochschule der Republik“ (Prof. Markus Karstieß) ist eine hochprofessionelle Kaderschmiede geworden. So ist es kein Wunder, daß der ambitionierte Kunstverein Mittelrhein –KM570- in seinem frisch renovierten KUNSTRAUM in Koblenz/E’stein die Hochschule eingeladen hat – um zu zeigen, was sie kann.

 Sechs Studierende aus der Malereiklasse von Thomas Kohl zeigen paarweise in drei Wechselausstellungen das gesamte künstlerische Spektrum der Gegenwart:

Von den reduzierten, hochästhetischen Denkanstößen eines Christian Schultz und den lebensvollen Bildvorstellungen von Niloufar Shirani, über die eleganten, fast klassisch anmutenden abstrakten Glasskupturen Daniel Schönbauers und die spielerisch genau ausgeloteten Kunstvehikel von Uwe Biedermann, bis hin zu den farbzarten Malereien Hanna Melnychuks und den autonomen Keramikskulpturen Song Zhifengs zeigt sich die ganze Bandbreite der künstlerischen Offenheit des kleinen Institutes. Die Nachwuchskünstler repräsentieren zugleich die wunderbare Vielfalt der künstlerischen wie kulturellen Ansätze – kein Wunder bei dreißig Studierenden aus elf Nationen.

 Das Zitat aus Büchners Erzählung „Lenz“ („Er mußte dann mit den einfachsten Dingen anfangen, um wieder zu sich zu kommen.“) reflektiert und beschreibt zugleich durch Institutsleiter Prof. Jens Gussek den Ansatz des neuen Lehrkörpers, der die Hochschule seit einigen Jahren zu neuen Höhen treiben möchte: Durch die permanente Konzentration auf das Wesentliche wird hier ein universitärer Ort geschaffen, der in der lokalen Anbindung an die Lebenswirklichkeit zugleich der internationalen Vielfalt der Studierenden versucht, gerecht zu werden: Global denken, lokal handeln, wie es so schön anderswo heißt.

 Und so überraschen die Studierenden die Besucher nicht nur mit ihrem hohen Niveau, sondern auch mit Performances und selbst gehaltenen Reden, jeweils zu den Eröffnungen. Man stellt nicht nur die Andersdenkenden aus, sondern auch vor.

 

Koblenz/ Höhr 29.9.2017

 

Im KUNSTRAUM ab 13.10. , immer 2 Wochen, dann Wechsel.......

Findige Faltenwürfe an der Wand

Wie ein Künstler mit bildhaften Objekten verblüfft: KM 570 zeigt Arbeiten von Guenter A. Werner

 Formen einfach mit Farbe auf die Leinwand oder das Papier gebracht hat Guenter A. Werner in den vergangenen zwei Jahrzehnten nie. Eher Farbe zu Form gemacht. Silikonfarbe in Blechdosen oder Glasbehälter gefüllt und diese mit Gurten zum Objekt verschnürt. Oder mit farbigen Eimern ein Bild zum Farbstillleben verwandelt. Und 2004 kippte er satte 170 Kilogramm strahlend gelber Polyurethan- und Epoxidharzfarbe für eine „Transport“ überschriebene Arbeit im Skulpturenpark des Wiesbadener Kultursommers in ein Boot. Schwere, trotzdem auf dem Wasser schwebende Kunst, wahrhaftig.

Leichter ist da schon das, was der 1950 geborene, im Frankfurter Raum lebende Guenter A. Werner im noch jungen, ambitionierten Einzelpräsentationen vorbehaltenen Ehrenbreitsteiner Kunstraum des Kunstvereins Mittelrhein KM 570 in der Hofstraße unter dem Titel „Volumen“ an die Wand bringt. Volumen haben diese Arbeiten tatsächlich, sind aber federleicht und wirken genau so. Gebilde, gefaltet aus Polyestergewebe, das teilweise auf Draht oder Plexiglas befestigt und in pastellige Farben getränkt ist. „Recherche“ nennt Weber seine bildhaften Objekte oder objekthaften Bilder, Resultat einer immer wieder erneuerten, experimentierfreudigen Suche nach dem, was im Zusammenspiel von Farbe und Form alles möglich und machbar ist. Was machbar ist: Faltengebilde, die mal elegant, fast kapriziös an der Wand entlangschwingen, die sich aber auch mal zusammenballen und dann gern zu Paaren zusammentun, die einmütig, in hellem Gelb, farbliche Harmonie demonstrieren oder auch farbig miteinander kollidieren und zugleich dialogisieren, wie die „Recherche No. 8“: Sanftes Rosa ist hier gegen lichtes Grün gesetzt, formal eng aneinandergeschmiegt. Das atmet Spontaneität, hat etwas von einem Zustand, der nur für einen Moment eingefroren ist, bevor er sich im nächsten wieder verändern, zu einer ganz anderen Form werden könnte. Ohnehin ist Veränderung in den Werner'schen Farbspielen fest einkalkuliert, denn die Wirkung dieser an der Wand zu Raum gewordenen Faltenwürfe, in der Kunstgeschichte ja nicht umsonst ein großes Thema der Malerei, ändert sich je nach Lichteinfall ganz erheblich. Was aus der Distanz heraus nahezu flächig anmuten kann, entpuppt sich bei der Annäherung als plastische, wellig bewegte Berg- und Tallandschaft, in der sich sanfte Erhebungen mit nicht weniger sanften Vertiefungen abwechseln, in denen willige Betrachterblicke durchaus sinnlich regelrecht eintauchen.

RZ Kultur-Regional am 2.9.2017 : Lieselotte Sauer-Kaulbach

Wenn aus Packpapier Kunstwerke entstehen

Kunstverein Mittelrhein KM 570 zeigt Arbeiten aus ungewöhnlichem Material

 Dr. Lieselotte Sauer-Kaulbach

 

Gewöhnlich ist es hellbraun, manchmal hat es ein feines Streifenmuster und kommt meist von der Rolle: Packpapier. Praktisch zum Einwickeln, als Material für Kunst eher weniger gebräuchlich. Doch wie gut genau das funktionieren kann, demonstriert der Kunstverein Mittelrhein KM570 mit einer „Pack-Papier“ überschriebenen, sehenswerten Ausstellung im Künstlerhaus Metternich.

Der Bindestrich im Titel signalisiert eine gewollte Mehrdeutigkeit des Themas. Da geht es denn auch nicht bloß ums Packpapier, sondern um Papier generell, das 13 Künstler, Mitglieder und Gäste des Kunstvereins anpackten. Wirklich mit Packpapier arbeitet nur Manfred Lipka, Fotograf und Kunsterzieher. Er lichtet unterschiedlich entrolltes Packpapier für seine C-Prints ab und macht abstrakte Objekte.

Irritation stellt sich – beabsichtigt – bei den Fotografien Helga Persels ein. Deren Motiv ist das Innenleben auseinandergefalteter Pappschachteln, sind „Raumhüllen“, die fotografisch gesehen verblüffend räumlich wirken. So wie auch die Wandarbeiten der in Mainz lebenden Städel-Schülerin Angela Tonner, die mit auf geometrische Holzteile aufgezogenem, bemaltem Papier spielt.

Papierstreifen verhäkelt die Bopparder Kunsterzieherin Melanie Müller zu einem an skurrile Meeresbewohner erinnernden Gebilde. Nicht weniger von der Natur inspiriert sind die fragilen, zwischen Werden und Vergehen angesiedelten „Papierfrüchte“ der Berchtesgadenerin Anita Grimm-Borchert. Natürliches könnte auch bei dem in Nagold lebenden Peter Dorn mitschwingen, in seinen teilweise aufgefalteten, bezeichneten Pergamentpapier-Chiffren, die an Genomketten erinnern. Spinnennetzen gleichen die aus hauchdünnen Papierstreifen geschaffenen Kreationen der in Adenau geborenen Dorthe Goeden, vielschichtige „Gedankengeflechte“ mit gegenständlichen, landschaftlichen, pflanzlichen Einsprengseln. Erinnertes spielt auch in einer Installation Ute Krautkremers mit dem Titel „Mamas Nussbaum“, mit. Sie ist Teil einer Serie, in der die Künstlerin aus Spay mit Papiermaché die skurrilen Formen alter Bäume abgießt. Was bleibt, ist eine Art aufgebrochener „Papierrinde“, ist nicht die Substanz, sondern nur deren vergängliche Hülle. Papiermaché setzt auch Kirsten Krüger aus Düsseldorf ein. Eine Installation heißt „Abziehendes Gewitter“, hier kommt auch teils eingefärbter Holzkohlestaub zum Einsatz. Der verleiht auch der aus einem Tisch und einem schwebenden, aufgeplatzten „Stein“ bestehenden Arbeit eine beinahe sakrale Aura.

In den poetischen Traumbildern Anne-Katrin Schreiners treten virtuos geschnittene Papiergespinste an die Stelle von Farbe und Pinsel. Die Vielschichtigkeit teilen sie mit den Arbeiten des in Lahnstein geborenen, in Siegen lebenden Martin Dicke, Schichtwerk aus Ebenen, in denen sich Malerei, Collage, Fotografie, Reales und Fiktives kreuzen. Zu den notorisch Papier-Verliebten zählen schließlich Sylvia Klein und Rita Eller: Die eine collagiert in ihrer Serie „Das verlorene Ich“ menschliche Gestalten aus Schnittmustern. Die andere zeigt Bücher, bei denen sich papierene, abstrakt gestaltete Bilderseiten kaum zwischen den Buchdeckeln halten lassen.

RZ Koblenz und Region vom Donnerstag, 13. Juli 2017

 

KM 570 hat sein Domizil renoviert – Ausstellungsbetrieb soll in Fahrt kommen – Werke von Martin Noël zum Auftakt

 Von unserer Redakteurin Anke Mersmann

Koblenz. Vorüber sind die Zeiten, in denen der Kunstverein Mittelrhein KM 570 keinen eigenen Ausstellungsraum hatte. Diese Heimatlosigkeit war „ein echtes Handicap für unsere Arbeit“ sagt der Vorsitzende Uli Hoffelder. Zwar zeigte der Verein jährlich Ausstellungen in Koblenz und der Umgebung. „Aber wir mussten immer wieder interessante Ideen und Künstler zurückstellen, wenn wir auf keinen Raum zugreifen konnten“, sagt Hoffelder. Das soll sich jetzt ändern – weshalb sich auch Koblenzer Kunstfreunde auf ein Plus in Sachen Ausstellung freuen können.

Hoffelder steht mitten im neuen Domizil des KM 570, das der Verein zwar schon im vergangenen Spätsommer in der Hofstraße 268 in Ehrenbreitstein bezog und dort auch schon eine Licht- und Klanginstallation von Franziskus Wendels zeigte oder seine Türen öffnete, wenn in der Galerie Sehr nebenan die Kunst gefeiert wurde. Jetzt aber ist der kleine Kunstraum frisch renoviert: Die Wände sind glatt und geweißt, die Risse im Boden sind ausgebessert und unter grauer Betonfarbe verschwunden. Der Raum mit der großen Fensterfront und Deckenstuck, in dem in den vergangenen Jahren ein Künstler und für einige Monate das Theater am Ehrenbreitstein wirkten, kommt ohne Chichi aus, ist aber schmuck geworden. „Eigenleistung des Vereins“, sagt Hoffelder. Und jetzt, da alles fertig ist, soll der Ausstellungsbetrieb im Kunstraum richtig in Schwung kommen. Angelaufen ist er mit der Schau „Im Fluß der Farben“ des Malers, Zeichners und Holzschneiders Martin Noël (1956–2010), der viele Jahre in Bonn lebte.

Ein großformatiger Holzschnitt, „Leon“, hängt an der großen freien Wand gegenüber der Eingangstür: Eine weiß gedruckte Fläche liegt über schwarzem Grund. Das Dunkle kämpft sich in das Weiß gekratzten, kalligrafisch wirkenden Mustern an die Oberfläche. Zudem sind ein gutes Dutzend kleine Aquatintaradierungen im Raum gehängt: Es sind zurückgenommene Arbeiten, in denen der Künstler unterschiedliche farbige, monochrome Blöcke in Bezug setzt. Oder er zieht Spuren in pastellfarbene, auf Schwarz gedruckte Rechtecke, die ebenfalls an Kalligrafien erinnern, an organische Strukturen und Muster. Fein und luftig und doch voller Spannung sind diese Arbeiten.

Ein gutes Dutzend druckgrafischer Werke Noëls sind zu sehen – eine größere Präsentation wäre in dem kleinen Raum auch nicht möglich gewesen. Doch auch mit der kleinen Auswahl will der Kunstverein einen Einblick in das vielseitige Werk des Künstlers geben, sagt Hoffelder. Er kannte Noël flüchtig, hatte ihn vor Jahren in Bonn kennengelernt und schätze ihn seither als Künstler. Vom Tod des Malers, der auch international einen Namen hat, erfuhr Hoffelder allerdings erst, als er 2011 eine Werkschau des Arp Museums im Bahnhof Rolandseck besuchte. Vor Kurzem ergab sich ein Kontakt mit Noëls Witwe, ihr erzählte er vom neu erblühten Kunstraum und seiner Idee, Werke ihres Mannes dort zu zeigen. „Sie kam her, sah sich um, dann nahm alles seinen Lauf“, erzählt Hoffelder. Er ist glücklich darüber.

Davon einmal abgesehen, dass er Noëls Werk persönlich gern mag, ist Hoffelder froh, für einen wertigen Auftakt im neu renovierten Kunstraum gesorgt zu haben. „So soll es weitergehen“, formuliert er den Anspruch. „Hier im Kunstraum wollen wir Künstler zeigen, die einen regionalen Bezug haben, aber eine überregionale Ausstrahlung besitzen.“ Werke des international agierenden Malers Guenther A. Werner sollen im Spätsommer auf Noël folgen, im Herbst kommt der Maler Thomas Kohl, ein Schüler Gerhard Richters, der seit 2015 Malerei und Zeichnung am IKKG der Hochschule Koblenz lehrt. Er wird mit Studenten eine Ausstellung im Kunstraum organisieren, eine Idee, die er und Hoffelder gemeinsam entwickelten, wie der KM-570-Vorsitzende sagt. „Wir kamen auf dieses Projekt, da die Studenten oft unvorbereitet in den Kunstmarkt gehen. Hier bei uns können sie praktische Erfahrungen sammeln, was die Organisation eine Ausstellung angeht. Und wir zeigen junge Künstler mit Potenzial. So haben alle etwas davon“, sagt Hoffelder und spricht davon, im Sinne der Kunst zu arbeiten: Der Verein ist nicht kommerziell ausgerichtet, im Kunstraum gehe es nicht darum, über Verkäufe Geld zu verdienen. „Das ist nicht unser Ziel. Wir zeigen Kunst und Künstler, die wir spannend finden“, erklärt der Vereinsvorsitzende, der sich seit 30 Jahren in der Kunstszene bewegt.

Wobei sich der Verein nicht ausschließlich auf den Kunstraum in Ehrenbreitstein beschränken will. Nach wie vor will KM 570 beispielsweise seine jährliche Gruppenausstellung im Haus Metternich in der Koblenzer Altstadt realisieren, bei der Werke von Mitgliedern gezeigt werden. „Wir fahren also künftig zweigleisig“, meint Hoffelder dazu: große Schauen an anderen Spielorten, die kleinen im schmucken Kunstraum.

Die Ausstellung „Im Fluß der Farben“ läuft bis zum 4. Juli.

RZ Koblenz und Region vom Freitag, 2. Juni 2017

Koblenz. Im frisch renovierten Ausstellungsraum, dem KUNSTRAUM Ehrenbreitstein, in der Hofstraße 268, lädt der Kunstverein Mittelrhein -KM570- zu einer neuen Ausstellung ein.

Ab Freitag, 19. Mai, werden Holz- und Linolschnitte sowie Aquatinta-Radierungen des im Jahr 2010 gestorbenen Künstlers Martin Noël gezeigt.

Die Vernissage beginnt um 19 Uhr. Der Kunsthistoriker Dr. Wenzel Jacob hält eine Einführung.

Die Ausstellung ist bis zum 4. Juli zu sehen, mittwochs und samstags von 15 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung .

 

RZ v. 4.Mai 2017

Der Kunstverein Mittelrhein KM 570 zeigt in seinem neuen Kunstraum in der Hofstraße 268 in Ehrenbreitstein eine Licht- und Rauminstallation des Künstlers Franziskus Wendels (wir berichteten). Die Installationen von Franziskus Wendels spielen mit zwei Realitätsebenen. Sie zeigen eine Tagseite und eine Nachtseite der Dinge. Offiziell werden die Schau und der Kunstraum bereits am Freitag, 2. September, um 19 Uhr eröffnet.

Weitere Informationen zum Programm aller beteiligten Häuser gibt es im Internet unter www.museumsnacht-koblenz.de

Rhein-Hunsrück-Zeitung vom Donnerstag, 25. August 2016,